Artikel vom 19.10.2021

Verbraucherkredite: Gesundheitsdaten und Surfverhalten demnächst Scoring-Faktor?



Werden künftig Gesundheitsdaten, Browserverlauf und Facebook-Kommentare über die Kreditwürdigkeit von EU-Bürgern entscheiden? Fest steht, die finanzielle Verwundbarkeit vieler EU-Haushalte ist mit der Coronakrise gewachsen. Der EU-Datenschutzbeauftragte hält nichts von solchen Plänen - und will auch der Macht der Schufa beim Thema Finanzdaten Zügel anlegen.

European Data Protection Supervisor: Fundamentale Datenschutzrechte schützen

Aktuelle EU-Gesetzentwürfe erwägen, Daten, wie sie zur Berechnung des Schufa-Scores erhoben werden, auch für Werbezwecke zu nutzen. Mehr noch: Das Spektrum der Daten, die in einen Bonitätscheck einfließen, könnte sich demnächst erweitern. Für den europäischen Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski sieht ernsthafter Verbraucherschutz anders aus. Als unabhängiger European Data Protection Supervisor (EDPS) ist es Wiewiórowskis Aufgabe, die fundamentalen Rechte von Menschen bei der Verarbeitung persönlicher Daten zu schützen. Konkret geht es bei der aktuellen Stellungnahme (Opinion 11/2021) um neue Leitlinien für Verbraucherkredite.

Krebserkrankung und Online-Surfverhalten beim Bonitätscheck?

Gratulation, der Kandidat hat 100 Punkte! Falls nicht - oder bewegt sich der Schufa-Score unterhalb von 90, werden Vertragabschlüsse aller Art schwierig. Wird sich dies zum Positiven verändern, falls die Schufa demnächst Gesundheitsdaten zu persönlicher Fitness oder Krebserkrankung beim Scoring berücksichtigt? Oder Browserverläufe und auf Social Media gesammelte Informationen? Für Wojciech Wiewiórowsk stellen sich diese Fragen nicht: Ihm geht ein solcher Ansatz bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit entschieden zu weit, überzeugt, dass alle sensiblen persönlichen Daten gem. Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ausnahmslos zu schützen sind. Der EU-Datenschutzbeauftragte will einen Riegel vorschieben, bei der Auswertung von

- Online-Surfverhalten
- ethnischer Herkunft
- politischer Einstellung
- religiöser / philosophischer Überzeugung
- sexueller Orientierung
- Gewerkschaftszugehörigkeit

Auch genetische Informationen und biometrische Merkmale zur eindeutigen Identifizierung von Verbrauchern lehnt Wiewiórowsk ab - engagiert im Kampf gegen ein Aufweichen der DSGVO.

Schufa-Scoring und KI durch persönliche Beratung ergänzen

Und kritisiert die Intransparenz beim Zustandekommen des Schufa-Scores. Bisher ist dies Betriebsgeheimnis der Schufa. Und noch immer glauben viele Verbraucher irrtümlich, es handele sich bei der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung um eine staatliche Behörde. Nein, die Schufa ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, dessen Praxis, den Scoring-Algorithmus im Dunkeln zu halten, Fragen von Verbraucher- und Datenschutz - und damit potenzieller Verbraucherdiskriminierung aufwirft. Statt die Bonität von Individuen allein von KI, Algorithmen und Daten bestimmen zu lassen (die diese Verbraucher nicht einmal selbst zur Verfügung gestellt haben), fordert Wojciech Wiewiórowsk ein Recht auf persönliche Beurteilungen. Argument: Wo maschinelle Angebote dominieren, treibt ein schlechter Score den Preis nach oben. Eine Diskriminierung, die durch den Kreditgeber verargumentiert werden müsste: Welche Parameter haben im Einzelnen zu dieser Bewertung geführt? Der EU-Datenschutzbeauftragte will datenschutz- und verbraucherkreditrechtliche Anforderungen auch in die neu angedachten Regeln zu Künstlicher Intelligenz (KI) integriert sehen. Für derartige KI-Anwendungen sollen besonders hohe Anforderungen an Sicherheit und Transparenz sowie eine erweiterte Haftung gelten.

Verbraucher sollen Scoring verstehen - und ggf. dagegen vorgehen

Immer dann, wenn eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit aufgrund von Profiling oder anderen Formen automatischer Verarbeitung persönlicher Daten zustande kommt, sollen die EU-Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass der Verbraucher das Recht hat

- auf einen persönlichen Ansprechpartner des Kreditgebers, der die automatisiert getroffene Bonitätsentscheidung prüft
- auf eine verständliche Erläuterung des Anbieters, aus welchen Gründen (Risiken etc.) die eigene Bonität so und nicht anders eingestuft wurde
- seine eigene Meinung dazu zu äußern und ggf. gegen die getroffene Bonitätseinstufung vorzugehen.

Wiewiórowski mahnt den Gesetzgeber, die zur Bewertung der Kreditwürdigkeit nutzbaren Datenkategorien präziser zu definieren: Anforderungen und Verantwortlichkeiten von Kreditdatenbanken und bonitätsbewertenden Dritten - wie der Schufa - müssten auf den Tisch.

Verbraucherkreditvorschriften überarbeiten - wozu eigentlich?

Laut EU-Kommission müssen diese an die Veränderungen durch Digitalisierung und neue Markttrends wie Online-Vertriebskanäle und Verleihplattformen, aber auch neue Typen teurer Konsumentenkredite wie so genannte Shortterm-High-Cost-Loans angepasst werden. Im Juni 2021 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine entsprechende Handlungsanweisug gemacht, die die bisherige Direktive 2008/48/EC ersetzen soll. Übrigens wies die EU-Verbraucherschutzorganisation BEUC schon 2019 darauf hin, dass das Einbeziehen von Daten aus Social Media und aus Browserverläufen ins Scoring hinsichtlich Datenschutz, Fairness und Diskriminierung kritisch sein könnte. Kurz, Daten, die im Rahmen von Bonitätsprüfung verarbeitet werden, sind nicht nur für Werbezwecke tabu: Geht es nach Wojciech Wiewiórowski, sollten viele davon gar nicht Teil der Bewertungskriterien sein - und dies ohne Wenn und Aber!

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