Artikel vom 19.06.2024

Adresshandel: Ungeliebte Werbepost, Datenschutz - und berechtigtes Interesse



Keine Direktwerbung ohne respektablen Adressenpool: Beim Sammeln von Postanschriften zapfen Adresshändler öffentliche Quellen an - und bieten sie Unternehmen zu Kauf oder Nutzung an. Doch was, wenn das Adressaten von Werbepost nicht passt - wer ist dann verantwortlich? Und können sich Werbetreibende auf ihr berechtigtes Interesse berufen?

OLG Stuttgart: Berechtigtes Interesse bei Daten aus Adresshandel?

Kürzlich hatte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart folgende Frage zu klären: Können sich Unternehmen, die zugekaufte Daten für ihre Direktwerbung verarbeiten, auf ihr berechtigtes Interesse gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berufen? Die Beklagte hatte personenbezogene Daten bei einem Adresshändler erworben, um Werbung im Lettershop-Verfahren zu verschicken. Lettershop heißt, der Werbetreibende hat nur auf die Werbepost-Inhalte, nicht aber auf die Auswahl der Adressaten Einfluss. Was im Adresshandel erlaubt ist, regelt seit 2018 die europäosche Datenschutzgrundverordnung DSGVO - und schützt personenbezogene Daten seither stärker als vorherige innerdeutsche Regelungen. Dabei verbietet die DSGVO Adresshandel und persönlich adressierte Werbung nicht, aber regelt den Handel mit Adressen leider auch nicht explizit.

Datenschutzkonformer Umgang mit Adressen: Was ist Voraussetzung?

Dass ein Verbraucher entweder mit den AGB der Weitergabe persönlicher Daten zu Werbezwecken zustimmt - oder, dass das berechtigte Interesse des betreffenden Unternehmens daran schwerwiegend ist. Genau darum ging es in Stuttgart: Als der Kläger Briefwerbung im privaten Postkasten fand, nahm er sein Recht auf Selbstauskunft wahr und forderte die Löschung seiner personenbezogenen Daten, was die Beklagte fristgemäß erledigte. Dennoch ging der Adressat vor Gericht. Der Vorwurf: Keine Rechtsgrundlage für die Datenerhebung aus einem öffentlichen Adressverzeichnis sowie Verarbeitung meiner Daten, weil ich weder zugestimmt habe, noch Kunde dieser Firma bin! Er zweifelte deren berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO an, monierte, dass man ihn nicht mit dem milderen Mittel der E-Mail kontaktiert hatte - und forderte 3.000 Euro Schadenersatz gem. Art. 82 DSGVO.

Werbepost per Lettershop: Wer ist verantwortlich?

Laut DSGVO ist auch das Vermitteln gewerblicher Informationen grundsätzlich ein berechtigtes Interesse sein kann - gültig für eigene Werbung, aber auch Werbung, die für Kunden erledigt wird. Sind Werbebriefe das notwendige Mittel, um Neukunden zu gewinnen, ist das rechtlich okay - weil die Eingriffsintensität postalischer Werbesendungen als gering gilt. Vorausgesetzt, die Adressdaten wurden ordnungsgemäß erhoben. Inzwischen hat das Lettershop-Verfahren Adresskauf und Adressmiete fast komplett verdrängt. Wie funktioniert das? Der Adresshändler schickt die Adressdaten an einen nicht involvierten Dienstleister bzw. Listbroker, der darauf das Werbematerial der werbetreibenden Firma diesen Adressen kombiniert. Was die Frage aufwirft, wer hier im einzelnen verantwortlich ist. Gem. Art. 28 DSGVO dürfen Adressdaten an Dritte übermittelt werden, wenn dies dazu dient, Adressen zu prüfen, sie Sperrlisten wie einer Robinsonliste abzugleichen und auch, um Werbematerial mit Adressen aus Adresshändler-Quellen zu versehen. Dabei wird der genannte Listbroker weisungsgebunden tätig - ohne eigene Entscheidungskompetenz.

Werbebriefe: Auf Recht auf Selbstauskunft & Co hinweisen!

Eine gemeinsame Verantwortlichkeit gem. Art. 26 DSGVO ist bei Lettershop anzunehmen, wenn das werbende Unternehmen die Kriterien für die Adressauswahl selbst festgelegt hat. Etwas, das für Adressaten von Werbepost allerdings im Dunkeln bleibt. Aber gemeinsam Verantwortliche müssen ihren gesetzlich Informationspflichten nachkommen. Werbepost muss Betroffene auf ihr Recht auf Selbstauskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung nach Art. 15 - 18 DSGVO und ihr Widerspruchsrecht gem. Art. 21 DSGVO hinweisen, das sich auch auf die Weitergabe der Adressdaten erstreckt. Rechte, die Betroffene nur wahrnehmen können, wenn klar ist, wer datenschutzrechtlich für die Datenverarbeitung verantwortlich ist. Zur Erfüllung der Informationspflicht genügt es, dem Werbebrief die wichtigsten Infos beizufügen - und für den Rest auf die Webseite zu verweisen.

Wer Adressdaten weitergibt, muss Ross und Reiter nennen

Umfangreiche Anforderungen an ein Medium, das gemeinhin als unkompliziert gilt! Nicht zuletzt, was unlauteren Wettbewerb angeht: Von hartnäckiger Ansprache ist abzusehen. Und wer für Angebote Dritter wirbt, muss diesen Dritten mit Identität und Anschrift transparent machen. Sprich, bei Lettershop-Werbung mit Fremdadressen sind sowohl werbetreibendes Unternehmen als auch Adresshändler zu nennen! Das klingt dann etwa so: Bei der Weitergabe Ihrer Adressdaten zum Zweck der Zusammenführung mit Werbematerialien der Mustermann GmbH und nachfolgender Werbeansprache stützen wir uns auf das berechtigte Interesse (Erläuterung des Interesses) gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Ergänzt durch den Hinweis, dass der Werbung durch die Mustermann GmbH bzw. der Datenweitergabe durch die Adresshändler GmbH widersprochen werden kann.

OLG Stuttgart: Kläger musste mit der Nutzung seiner Daten rechnen

2021 entschied das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, dass ein berechtigtes Interesse auch im Vorfeld einer Kundenbeziehung liegen kann - gem. Erwägungsgrund 47 S. 7 DSGVO. Um personenbezogene Daten für Direktwerbung zu verarbeiten, ist keine Einwilligung betroffener Verbraucher nötig - der europäische Gesetzgeber hat dies so entschieden. Was die aktuelle Entscheidung des OLG Stuttgart bestätigt, das die Klage des Briefadressaten abwies. Eine Kundenbeziehung sei keine Voraussetzung, um Werbebriefe zu versenden. Außerdem konnte der Kläger damit rechnen, dass es Usus ist, dass Adressdaten erhoben werden - und es wahrscheinlich ist, dass diese für Briefwerbung genutzt werden. Und fügte hinzu, Mailwerbung sei eineswegs ein milderes Mittel, sondern gelte ohne Einwilligung als unzumutbare Belästigung. Schadensersatz kam ebenfalls nicht infrage: Ein Verstoß gegen Bestimmungen allein löse keinen Schadensersatzanspruch aus. Die seelisch belastende Ungewissheit, nicht zu wissen, wo die eigenen Daten überall im Umlauf sind, reiche nicht.

Werbung datenschutzkoform per Post versenden?

Der Teufel steckt im Detail: Wer dazu Adressen über Dritte bezieht, muss auch deren datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit berücksichtigen - und die Informationspflichten der Adressaten von Direktwerbung ernstnehmen. Und prüfen, inwieweit Rechte und Interessen von Verbrauchern berührt sind. Wer sich bei der Verarbeitung personenbezogener Daten auf sein berechtigtes Interesse beruft, nimmt also besser eine Interessenabwägung vor - in jedem Einzelfall.

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